Martin Luther by Horst Herrmann

Martin Luther by Horst Herrmann

Autor:Horst Herrmann [Herrmann, Horst]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783828838505
Herausgeber: Tectum
veröffentlicht: 2017-02-03T23:00:00+00:00


Mauern aus Stroh und Papier

Vorerst zweifelt er nicht. Es gilt, im Überschwang des Jahres 1520, die inzwischen zu Grundaussagen gewordenen Denkanstöße von früher niederzulegen: die Enthüllung des Geheimnisses der Bosheit zu Rom, die falsche Gewalt des Papstes über die Gewissen der Gläubigen, den antichristlichen Charakter des Papsttums schlechthin, die Überzeugung vom baldigen Hereinbrechen des Gottesgerichtes am »lieben Jüngsten Tag« und die religiöse Pflicht aller Sehenden, gegen das Papsttum wie gegen den Satan selbst vorzugehen, um Gott in dieser Endzeit zum Recht seines Wortes zu verhelfen.

Martin Luther führt den Gedanken in einem besonderen »Plakat« aus, das Anfang August 1520 erscheint und sofort zum Riesenerfolg wird, dem Sendbrief »An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung«. In diesem Büchlein, dessen Anliegen auch Georg von Sachsen nicht seine Zustimmung versagen kann, selbst wenn er es unterdrücken lässt, wendet sich Luther offen an die Fürsten und an den neuen Kaiser, das »edle junge Blut«, um Schützenhilfe für seinen Lebenskampf gegen Rom zu erlangen. Er ruft nicht eine bestimmte soziale Schicht auf, sondern den Adel als den Inbegriff aller weltlichen Obrigkeit, die vom Kaiser bis herab zum letzten grundherrlichen Gerichtshalter reicht. Dieser Adel soll der geborene Wortführer des Widerstandes gegen die Tyrannei Roms und der berufene Träger einer Reform der zahllosen Missstände im kirchlichen wie im bürgerlichen Leben sein, einer Reform, der gegenüber Rom sich immunisiert hatte.

Die Obrigkeit will erst noch für diese ihre Berufung gewonnen werden. Das haben frühere Schriften anderer Autoren ähnlich gesehen: Der Adel wird kaum von sich aus tätig. Er ist erst zu »reitzen«.

Luther schildert in grellen Farben und in einem »grässlich-wilden« Ton die ungeheuren Auswüchse des römischen Fiskalismus, die Willkürakte der päpstlichen Gerichtsbarkeit, die Korruption und Verschwendungssucht eines aufgeblähten Hof- und Beamtenstaates und die sonstigen schlimmen Theorien wie Praxen der Römlinge, wie sie den Deutschen schon lange ein Dorn im Auge sind. Zwei Übel sind es in Deutschland selbst, denen begegnet werden muss, die weitverbreitete Bettelei und die Vielzahl der Heiligenfeste und Wallfahrten, die von der Arbeit abhalten. Beide Übel gehen auf Rom zurück.

Der Erfolg seiner Kampfschrift, einer »Kriegstrompete«, gibt Luther recht: Hier redet kein isolierbarer »Fürwitz noch Frevel« eines Mönchleins, hier findet die Hoffnung einer Nation ihr Sprachrohr. Nach so vielen vergeblichen Anläufen wird sich jetzt ein »frisch hindurch« zeigen, denn nun ist – so sagt es die Schrift selbst – die Zeit des Redens da. Nun werden die jahrhundertealten Beschwernisse der elenden Deutschen gegen Rom theologisch aufgearbeitet und zu schlagkräftigen Worten geformt. Luther beginnt, dem wachsenden Informationsbedürfnis und Kommunikationsdrang der »lieben Laien« entgegenzukommen und andererseits die Grundlagen für die deutsche Fachsprache der Theologie zu legen. Jetzt versteht ihn die Umwelt. Von vielen Seiten kommt das Echo. Das Lager der nationalen und der humanistischen, gegen die Papstkirche gerichteten Opposition hat seinen Wortführer.

Von nun an ist der geschäftliche Erfolg der Luther-Schriften nicht mehr zu bremsen. Dieser Autor liefert durchschnittlich ein Drittel der gesamten deutschsprachigen Buchproduktion. Allein von 30 seiner Schriften, die er zwischen 1517 und 1520 veröffentlicht, sind mehr als 370 Drucke bekannt, die etwa 250.000 Einzelexemplare erbringen.



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